Der bisherigen Rechtslage entsprechend, waren Umsätze aus Warenverkäufen an Konsumenten oder sogenannte Schwellenerwerber (z.B.: Ärzte, umsatzsteuerbefreite Kleinunternehmer etc.) anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union grundsätzlich in jenem Mitgliedstaat der Umsatzsteuer zu unterwerfen, in welchem die Beförderung oder Versendung begonnen hat.
Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, wurden sogenannte Lieferschwellen (Umsatzhöchstgrenzen) für jeden einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingeführt. Dies hatte zur Folge, dass bei Überschreiten der jeweiligen Lieferschwelle sämtliche darauffolgende Umsätze im betroffenen Mitgliedstaat nach dessen umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen besteuert wurden (z.B. in Deutschland mit 19 % USt).
Diese rechtlichen Bestimmungen wurden mit Wirkung 01.07.2021 einer grundlegenden Änderung unterworfen.
Die zuvor genannten Lieferschwellen werden mit Wirkung 01.07.2021 in sämtlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgeschafft, sodass die Umsatzbesteuerung bei Versandhandelslieferungen an Konsumenten und Schwellenerwerber innerhalb der Europäischen Union grundsätzlich immer im Bestimmungsland zu erfolgen hat. Sohin sind betreffende Rechnungen in Zukunft mit dem Steuersatz des jeweiligen Bestimmungslandes auszustellen.
Zur Selbstberechnung und Abfuhr der Umsatzsteuer in den betreffenden Mitgliedstaaten gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Jeder Unternehmer kann sich in jenen Mitgliedstaaten zur Umsatzsteuer registrieren lassen, in denen er Umsätze aus Versandhandelslieferungen bewirkt. In diesem Fall ist jedoch zu beachten, dass sich der Unternehmer über seine steuerrechtlichen Pflichten im jeweiligen Mitgliedstaat informieren muss, bzw. eine steuerliche Vertretung für jeden Mitgliedstaat benötigt.
2. Aus diesem Grunde, das heißt um diese organisatorischen Mehraufwendungen zu vermeiden wurde der Europäische Union One-Stop-Shop (EU-OSS) geschaffen. Der EU-OSS ist ein elektronisches Portal, über das Unternehmer sämtliche zuvor genannten Umsätze aus Versandhandelslieferungen erklären und die auf diese Umsätze entfallende Umsatzsteuer bezahlen können. In Österreich wird der EU-OSS über das FinanzOnline-System abgewickelt. Die Erklärung der Umsätze hat quartalsweise zu erfolgen und muss bis spätestens zum Ende des auf das betreffende Quartal folgenden Kalendermonats im EU-OSS-System eingereicht sein. Die Bezahlung dieser Umsatzsteuer erfolgt über ein von der Finanzverwaltung für diese Zwecke eigens eingerichtetes Konto.
Die Abwicklung über das EU-OSS-System wird dringend empfohlen, da die in sämtlichen Mitgliedstaaten generierten Umsätze dadurch bei einer zentralen Stelle gemeldet werden können und somit für den betroffenen Steuerpflichtigen daraus ein wesentlich geringerer Verwaltungsaufwand resultiert.
Ausgenommen von der vorgenannten Regelung sind nur Kleinstunternehmer mit Versandhandelsumsätzen von bis zu EUR 10.000,00 pro Kalenderjahr. In diesem Fall hat die Umsatzbesteuerung weiterhin in jenem Mitgliedstaat zu erfolgen, in dem die Versendung bzw. Beförderung der Ware beginnt. Bei Überschreiten der Umsatzgrenze von EUR 10.000,00, kommt es zu einer Steuerpflicht im Bestimmungsland, sodass die zuvor genannten Regelungen zur Anwendung zu gelangen haben.
Kleinstunternehmer können auf die Anwendung der Umsatzgrenze von EUR 10.000,00 verzichten, sodass es schon ab dem ersten Umsatz aus Versandhandelslieferungen zu einer Steuerpflicht im Bestimmungsland kommt. Ein derartiger Verzicht hat eine Bindungswirkung für die Dauer von zwei Kalenderjahren.
Ein derartiger Verzicht ist jenen Kleinstunternehmern zu empfehlen, welche vermehrt Versandhandelsumsätze aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union generieren.
Dies deshalb, da dadurch die stetige Überprüfung der Umsatzgrenze von EUR 10.000,00 und etwaige Meldepflichtverletzungen vermieden werden.
Die Aufbewahrungsfrist für Belege, welche den innergemeinschaftlichen Versandhandel betreffen, beträgt 10 Jahre und weicht demzufolge von der üblichen Aufbewahrungsfrist von 7 Jahren ab.